Nachkriegskunst und Risiko

Paul August Selbstporträt 1949 Tusche auf Fotopapier

Die wertvollsten Grafiken meines Großvaters Paul August im Berliner Kupferstichkabinett entstanden auf Fotokartons mit angekohlten Aststückchen aus dem Herdfeuer, daran habe ich aber keine Bildrechte.
Es war riskant, in der Nachkriegszeit das zerstörte Potsdam mit seinen malerischen Ruinen zu zeichnen. Er hatte zwar einen Auftrag des Magistrats in der Tasche und ein russisches Propusk, aber mehr als einmal haben sie ihn erst mal mitgenommen und festgesetzt. Falls er doch ein Spion wäre, der hier Brücken oder Gleise skizziert. Die etwas A5 – A6 großen unbelichteten Fotopapiere, auf deren unbeschichteter Rückseite es sich ganz fabelhaft zeichnet, mögen ein Indiz gewesen sein. Ein Wehrmachtsfotograf hatte mehrere Pakete davon auf der Flucht bei ihm zurückgelassen, sie waren zu schwer für sein Fahrrad und zu schade für den Straßenrand.
Dieses Portrait ist darauf entstanden, zeigt die Entbehrungen und den Willen zu etwas Neuerem, Besseren, mit Kunst und Tobak, wie er es nannte.
Dass ein Kriegsversehrter mit vier hungrigen Kindern zu Haus die Gründung der Landesmalschule für vorrangig hielt, hat mich geprägt. “Ohne Kunst geht das alles nicht”, so etwa war die Zusammenfassung seiner Schüler, die ihn klüger als ich ausgefragt hatten. Die Mutter an der spanischen Grippe verstorben, zwei Weltkriege überlebt, das Wüten des 2. beinamputiert in Lazaretten und dann an den Kunstakademien in Königsberg und Berlin. Sei n Aufbauwille wurde erst mit den Abrissen des Potsdamer Stadtschlosses und in der barocken Potsdammer Innenstadt gebrochen. Das Haus meiner Familie, ein Knobelsdorff-Entwurf in der Breiten Straße, stand neben der heutigen Spielbank und ist nun überwiegend Baulücke. Aus der Landesmalschule wurde die Fachhochschule Potsdam .